Wollte Mohammed aus dem Judentum aufnehmen?

Wir wollen Mohammed keineswegs eine Vorliebe für die Juden unterstellen. Vielmehr zeigt sich in seinem Leben und in der Schrift, die er seiner Nachwelt übergeben hat, Spuren von Hass gegen sie. Dennoch war die Macht, die die Juden in Arabien erlangt hatten, so bedeutend, dass er sie gerne als Anhänger hätte. Die Juden mögen zwar unwissend gewesen sein, waren aber dennoch den anderen Glaubensgemeinden überlegen. Selbst gab er an, sein Wissen durch göttliche Eingebung erhalten zu haben (siehe zum Beispiel Koran 29:47: "Und nie verlasest du vordem ein Buch, noch konntest du eines schreiben mit deiner rechten Hand" so die Worte Gottes, sodass die Kenntnis ihm also von Gott erteilt worden sei.) Die Juden machten ihm durch geistreiche und neckische Bemerkungen soviel zu schaffen, dass der Wunsch, sie zu begütigen gewiss in ihm aufsteigen musste.

Dass die Juden in Arabien zu Zeiten Mohammeds viel Macht besaßen, zeigt das freie Leben vieler ganz unabhängiger Stämme, die auch zuweilen mit ihm in offenen Kampf traten, vor allem die Banu Qainuqa nach Abulfeda (Vita Mohammedis ed. Gagnier S. 67) im zweiten, nach anderen von Gagnier in der in der Anmerkung angeführten, im dritten Jahr der Flucht und von dem Banu Nadir (bei Pococke "Specimen Historiae Arabum" S. 11, ebenso bei den Auslegern zur Sure 59), im 4. Jahr (Vita Mohammedis S. 71), die von Dschennab einen "großen Judenstamm" genannt werden, ferner von den Juden in Chaibar, mit denen er im 7. Jahr kämpft (Pococke Spec. S. 11).

Auf die Banu Nadir soll sich auch Koran 59:2 beziehen ("...Ihr glaubtet nicht, dass sie hinausziehen würden, und sie dachten, dass ihre Burgen sie beschützen würden..."), wo sie als so mächtig beschrieben werden, dass die Muslime an ihrer Besiegung verzweifelten und die festen Plätze, die die innehatten auch wirklich den Gedanken an eine Einnahme hätten schwinden machen, wenn sie nicht selbst, wie sich Mohammed, wahrscheinlich übertrieben, ausdrückt, "ihre Häuser zerstörten", oder wie Abulfeda mit größerer geschichtlicher Wahrscheinlichkeit berichtet, eine lange Belagerung fürchtend, selbst abgezogen wären und sich nach ruhigeren Gegenden gewandt hätten.

Für die Juden, die in großer Anzahl aus anderen zerstörten Gegenden geflüchtet waren, war überhaupt die Lockerheit des staatlichen Lebens in Arabien, wie es bis zur Herrschaft Mohammeds war, sehr günstig für ihre Sammlung und zur Bewahrung ihrer Selbstständigkeit. Ein Jahrhundert vor dem Auftreten Mohammeds hatte sich diese Selbstständigkeit unter den Himyariten in Jemen sogar zu einer Beherrschung von Nichtjuden erhoben. Ihr letzter Herrscher, Dhu Nawas, wurde auch nur deswegen vom herbei eilenden christlichen König Abessiniens vom Thron gestürzt, weil er aus missverstandener Gläubigkeit die Andersgläubigen grausam unterdrückte - was uns freilich mit den Farben eines Martyrologiumschreibers geschildert ist, (vergleiche Assemani "Bibliotheca Orientalis" I 361 ff. und aus ihr Michaelis "Syrische Chrestomathie" S. 19 ff.). So greift der Nemesis mal in die Geschichte ein, was in vielen umgekehrten Fällen nicht der Fall war. Es ist zwar sehr unwahrscheinlich, dass sich die Stelle im Koran (85:4-7 "Vernichtet sind die Leute des Grabens - Des Feuers voll von Brennstoff - Wie sie daran saßen und bezeugten, was sie den Gläubigen antaten.") darauf bezieht, schon deshalb, weil die Christen hier "die Gläubigen" (Mu'minun) genannt werden, was sonst nirgendwo anders vorkommt, selbst bei der glimpflichen Behandlung Mohammeds gegen die Christen. Ich werde weiter unten eine ganz andere Deutung dieser Koranstelle geben. Aber dieses Missverständnis der Kommentare zeigt doch deutlich, welch wichtiges Ereignis die Besiegung dieses jüdischen Königs für die Araber war und wie groß seine Macht gewesen sein muss. Dass nun die Überreste einer solchen Macht, selbst wenn sie zersplittert wurde, immer noch bedeutend blieben, ist an und für sich klar, geht auch aus einer bald anzuführenden Stelle des Baidawi zu (2:91) hervor, wo die Himyariten als vorzüglich ungläubig geschildert werden. Als dem Judentum anhänglich nennt ferner ein arabischer Schriftsteller bei Pococke "Specimen Historiae Arabum" S. 136 außer den Himyariten die Banu Kinana, Banu Harith und Kindah.1

Wenn nun schon diese physische Macht der Juden ihm teils Achtung, teils Furcht einflößen musste, so fürchtete er nicht minder einerseits als Unwissender vor ihnen da zu stehen, andererseits musste ihm ihre geistige Überlegenheit hinderlich sein, und sie durch sein scheinbares Hinneigen zu ihrer Ansicht zufrieden zu stellen, musste sein erste Wunsch sein. Dass die jüdische Glaubensansicht eine völlig durchgebildete und ganz in das Leben aller Gemeindeglieder eingedrungene schon damals gewesen sei, lässt sowohl ihr Alter nicht bezweifeln als auch vorzüglich die schon zu Stande gebrachte Beendigung des Talmuds. Gehörten nun auch die Juden der dortigen Gegend zu den unwissendsten und ist selbst das Schweigen von ihnen im Talmud nichts weniger als günstig zu deuten, und wird sich auch dies aus dem im Koran Aufgenommenen zeigen: so lebten doch so viele Sagen und so viele gesunde Kernsprüche im Munde des Volkes, die wohl in so trüben Zeiten und Gegenden auf sie einen Schein von Geistesreichtum werfen konnten und sie ehrbar in den Augen Anderer machten.

So musste es ganz natürlich kommen, dass er ihre Ansichten kennen zu lernen wünschte, um sie mit in sein Gebäude aufzunehmen. Nicht allein aber diese Masse gleichsam von Gemeindeeigentum (5 Mose 33:4) musste ihm diesen Wunsch beibringen, sondern auch die Art und Weise, wie sie ihre Sache verfochten und wie sie mit ihm umzugehen pflegten. Dass er sehr oft bei religiösen Streitigkeiten den Kürzeren zog, zeigen sowohl viele Äußerungen als vorzüglich diese sehr starke: "Wenn du jene siehst, die über Unsere Zeichen töricht reden, dann wende dich ab von ihnen, bis sie ein anderes Gespräch führen. Und sollte dich Satan (dies) vergessen lassen, dann sitze nicht, nach dem Wiedererinnern, mit dem Volk der Ungerechten." (Koran 6:67). Dieser auffallend starke Ausspruch, wo er es sich von Gott als ein Werk des Teufels erklären lässt, Streitigkeiten über seine Wahrhaftigkeit beizuwohnen, zeigt sehr bestimmt, wie sehr er solche zu fürchten hatte. Auch der Umgang mit ihnen schien ihm für seine Muslime gefährlich, und er warnt sie vor öfterer Zusammenkunft oder naher Befreundung mit ihnen, natürlich unter Vorgeben anderer Gründe, aber offenbar aus dem, dass sie leicht den ihm geschenkten Glauben wankend machen könnten, "O die ihr glaubt, schließt nicht Freundschaft mit einem Volke, dem Allah zürnt..." (60:13)2

Am eigentümlichsten und wohl ganz in der Gemütsart der Juden gegründet zeigt sich dieses in ihrem geistreich-neckischen Spiele in Fragen und Antworten, über die er sich sehr bitter beklagt, und die ihm freilich auch dann, da er ihre Aussprüche nicht als Äußerungen spöttelnden Mutwillens, sondern als wahre Herzensmeinung betrachtet, oft scheinbare Waffen gegen sie an die Hand geben. Da er nämlich wegen der früheren Ursachen, um selbst an Ansehen zu gewinnen, aber auch in der sehr rechten Meinung, dass, sein einmal ein Teil der Juden - wie er sich ausdrückt, zehn Juden - zu ihm übergetreten, alle ihm anhangen werden (vergleiche Sunna 445, Fundgruben des Orients, 1. Heft S. 286), es nun mit einigen versuchte, die entweder den Mut nicht hatten, ihm zu widersprechen, oder sich den langen Streitigkeiten nicht unterziehen wollten: so fertigten sie ihn entweder mit einer Antwort ab, der er nichts entgegensetzen konnte oder sie vertauschten die Worte, die er von ihnen gesagt verlangte, mit anderen ähnlich lautenden, aber etwas völlig anderes, ja entgegengesetztes bedeutendem. So sagten sie ihm einst: Wir können für unseren Unglauben nichts, denn "Unsere Herzen sind unbeschnitten" (2:88) (vergleiche 5. Mos 10:16 "So beschneidet denn die Vorhaut eures Herzens..."). Ein anderes Mal rieten sie ihm nach Syrien zu gehen, als dem einzigen Ort, wo weissagerische Erscheinungen möglich seien, gestützt auf ihren Grundsatz

1. Einen hübschen Beleg für die Bedeutung, die einzelne jüdische Stämme erlangt haben, könnte man auch in einem Gedicht der Hamasa, von Freytag, S. 49 ff finden, das voll edeln Rittergeistes und starken Selbstvertrauens ist, wenn auch nur die Zeugnisses für die Beziehung auf einen jüdischen Stamm sicher genug wären. Das Ganze, was sich dafür findet, ist der Name des Verfasser As-Samwal, das, wie auch der Kommentator bemerkt, ein hebräischer Name ist (As-Samuel), der doch aber sehr leicht zu den Arabern übergegangen sein konnte. Ja in dem Vers Hafuna S. 52, wo die Reinheit und Unvermischtheit des Stammes gepriesen wird un wo man eine Erwähnung der jüdischen Abkunft erwartet hätte, findet sich eine solche nicht.
2. Hierzu bemerk Elpherar: "Dies (wurde geoffenbart), weil einige von den armen Muslimen den Juden die Lehre der Muslime benichteten, sodass sie sich mit einander verbanden und jene von den Früchten dieser erhielten."

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