Hethiter
Gott verspricht aber Abram einen Sohn und verspricht ihm, dass seine Nachkommen das Land Kanaan erben sollen, aber dass sie dann wieder vertrieben werden sollen. (Dieses wird an mehreren Stellen im 1. Buch Mose wiederholt). Die Stämme, die in Kanaan leben, werden dann aufgezählt, so wie sie auch bei mehreren Gelegenheiten später aufgezählt werden sollen. Sie wurden ebenfalls aufgezählt in der "Tabelle der Nationen" in 1 Mose 10 als Kinder Kanaans. Die Einzelheiten variieren von Stelle zu Stelle. Hier werden sie so angegeben:
1 Mose 15:19 die Keniter und die Kenasiter und die Kadmoniter
1 Mose 15:20 und die Hetiter und die Perisiter und die Refaïter
1 Mose 15:21 und die Amoriter und die Kanaaniter und die Girgaschiter und die Jebusiter.
Diese Namen sind eine bunte Vielfalt. Die Keniter, Kenasiter und Kadmoniter sind Wüstenstämme im Süden und Südosten. Die Jebusiten sind Einwohner von Jerusalem und Umgebung. Man weiß so gut wie nichts über die Perisiter und Girgaschiter, außer dass sie in mehreren Listen erwähnt werden. Die Refaiter haben wir bereits erörtert.
Die Kanaaniten sind offensichtlich ein allgemeiner Name für die Einwohner Kanaans und die Amoriten werden als fast gleichbedeutenden Ausdruck benutzt. Vielleicht ist das, weil die Amoriten zu Abrahams Zeit der wichtigste der westsemitischen Stämme geworden sind. Sie hatten Babylon übernommen und waren auf dem Weg, das ganze Euphrat-Tigris-Gebiet zu unterwerfen.
Die bei weitem interessanteste Gruppe auf der Liste ist aber die Hethiter.
Die Hethiter werden manchmal "Söhne von Heth" genannt, und Heth (der Stammesname) wird im 10. Kapitel des 1. Buches Mose als zweiten Sohn von Kanaan beschrieben:
1 Mose 10:15 Und Kanaan zeugte Sidon, seinen Erstgeborenen, und Het...
Da die Hethiten in der Bibel durchgehend als kanaanitischer Stamm beschrieben werden, entstand das Gefühl, das sie ein kleines Volk seien und nicht wichtiger als zum Beispiel die Girgaschiten, von denen man nie außerhalb der Bibel etwas gehört hat. Dennoch zeigt der Umstand, das sie der zweite Sohn von Kanaan sind, eine gewisse Bedeutung.
Die alten Ägyptischen und Babylonischen Aufzeichnungen sprechen von jeweils "Kheta" und "Khatti" (was ähnlich wie "Heth" klingt) als ein mächtiges Volk nördlich von Kanaan und der Verdacht entstand, dass sie die biblischen Hethiter sein könnten, und dass sie vielleicht doch nicht eine unbedeutende Gruppe der Kanaaniten seien. Archäologische Funde im 19. Jahrhundert schien auf ein bisher unbekanntes Reich zu zeigen, das einmal in Syrien und Kleinasien gediehen hat.
Schließlich entdeckte ein deutscher Archäologe, Hugo Winckler, ein Lager von Keilschrifttafeln in der Nähe des Dorfes Bogazköy in der Mitte der Türkei, etwa 145 km östlich der heutigen Hauptstadt Ankara. Es stellte sich fest, dass die Tafeln an der Stelle der ehemaligen hethitischen Hauptstadt gefunden worden waren.
Weitere Untersuchungen zeigten, dass die Hethiter ein mächtiges Reich gehabt hatten, den Gebrauch von Eisen und Streitwagen, die von Pferden gezogen wurden, eingeführt hatten (die von den Assyrern noch verbessert werden sollten) und einige Jahrhunderte lang mit Ägypten, das damals auf seinem Höhepunkt war, um die Herrschaft über das westliche Asien gestritten hatten.
Wie konnte ein so mächtiges Volk in der Bibel unbemerkt bleiben und nur als unbedeutenden Stamm erwähnt werden?
Das ist tatsächlich ein Zufall der Geschichte. Zur Zeit Abrahams und seiner unmittelbaren Nachfolger hatten die Hethiter noch nicht so mächtig geworden. Tidal (siehe Amrafel), ein früher Führer der Hethiter, wird nur als Verbündeten von Kedor-Laomer erwähnt und damit in Wichtigkeit einem Stadtstaat in Sumer gleichgestellt.
Erst in 1750 v.Chr., lange nach der Zeit Abrahams, sollte das Hethitische "Alte Reich" entstehen und ein Hethiterkönig seine Macht über Kleinasien hinaus erweitern. Zu dem Zeitpunkt waren die Nachkommen Abrahams auf dem Weg in die ägyptische Sklaverei und der Blickpunkt der Bibel verschwindet eine Zeit lang von Kanaan.
Nach einem Jahrhundert hethitischen Niedergangs zwischen 1500 und 1400 v.Chr. folgte eine Zeit noch größerer Macht und das hethitische "Neue Reich" wurde gegründet. Unter Schuppiluliuma, der von 1390 v.Chr. herrschte, erreichten die Hethiter ihre größte Macht und waren standen kurz davor, die ganze zivilisierte Welt zu erobern. Am Ende wurden sie vom langen Krieg mit Ägypten ausgezehrt. Es ging mit ihnen bergab, erst langsam, dann schneller, und um 1200 verschwand das Hethiterreich.
Als die Israeliten in Kanaan einfielen und die Aufmerksamkeit der Bibel nun wieder auf dieses Land gerichtet war, waren die noch verbliebenen Hethiter hier und da und im Norden nur als unwichtigen Stamm anzusehen.
Kurzum, die Bibel erzählt von den Hethitern bevor sie zur Macht kamen und nachdem sie ihre Macht wieder verloren hatten, aber nie während die Hethiter an ihrem Höhepunkt standen. Und da die Bibel bis zum 19. Jahrhundert die Hauptquelle historischen Wissens über den Nahen Osten war, war das Hethiterreich nirgends zu erkennen. Erst nach der Arbeit Wincklers haben archäologische Funde es zu unserer Kenntnis gebracht.