Ägypten
Abram mag zwar tausend Kilometer gereist haben, aber war gewissermaßen immer noch zu Hause, denn die Kultur, die in Sumer entstanden war, war zu der Zeit vorherrschend im ganzen fruchtbaren Halbmond. Als Abram in südwestliche Richtung aufbrach, kam er aber in eine völlig andere Welt an.
1 Mose 12:10 "Es entstand aber eine Hungersnot im Land; da zog Abram nach Ägypten hinab, um dort als Fremder zu leben..."
Das war nachvollziehbar, denn die Fruchtbarkeit Ägyptens beruhte auf der jährlichen Überschwemmung durch den Nil, und sie blieb kaum aus. Die Hungersnöte, die die halbtrockenen Länder bei dürftigem Niederschlag befielen, traten in Ägypten nicht auf.
Ägypten haben zusammen mit Sumer die Ehre die früheste bekannte menschliche Kultur zu sein. Um 3000 v. Chr. war die Kultur hoch entwickelt. Die Schrift war erfunden (oder von Sumer übernommen) und Kunst und Literatur blühten.
Ägypten befand sich in einer günstigen Lage. Auf allen Seiten war es von Meer oder Wüste umgeben und es konnte so ohne Einmischung von außen seine eigene Entwicklung durchmachen. Während Westasien eine Folge verschiedener Städte oder Stämme erlebte, die zur Herrschaft aufstieg und später zerfielen, während Reichtum und Armut sich abwechselten, war die ägyptische Geschichte im Vergleich ruhig.
Andererseits litt Ägypten unter den Nachteilen der Landesform. Ägypten ist ein langes, schmales, wirklich fadenförmiges Land. Nur die flussnahen Bereiche genossen das Leben spendende Wasser der Überflutungen und die Ägypter bewirtschafteten davon etwa 900 km Ufer mit einer durchschnittlichen Breite von etwa 20 km. Diese Länglichkeit und Mangel an örtlicher Dichte bedeutete, dass das Land sich naturgemäß in vereinzelte Stücke teilte.
Zum Ende des 4. Jahrtausends v. Chr. waren diese Teile in zwei große Bereiche zusammengewachsen. Im Norden, wo der Nil sich dem Mittelmeer näherte, bildete er ein Delta (wie Euphrat und Tigris auch) und hierin ergoss sich der Nil, indem er sich in eine Reihe zäh fließende Ströme teilte, die etwa ein gleichschenkliches Dreieck bildeten, wo jeder Schenkel etwa 160 km lang war. (Der griechische Buchstabe "Delta" ist als Großbuchstabe ein gleichschenkliches Dreieck, und ist die Bezeichnung der Nilmündung geworden, und später die Bezeichnung aller Flussdeltas der Welt.) Dieses Nildelta machte "Niederägypten" aus.
Südlich des Deltas gibt es den Fluss selber mit seinen schmalen Uferbereichen. Dieses land nennt man "Oberägypten".
Um etwa 3100 v. Chr. machte sich ein König Oberägyptens namens Narmer, der aber besser unter dem griechischen Namen Menes bekannt ist, zum König beider Ägyptenreiche und errichtete seine Hauptstadt in Memphis, etwa 25 km südlich des Deltas. Der Ort der Hauptstadt wurde wahrscheinlich absichtlich so gewählt, weil es der Verbindungspunkt zwischen den zwei Reichen war und keines damit benachteiligt war.
Menes war der erste König der ersten Dynastie (wobei eine "Dynastie" eine Herrscherfamilie bezeichnet, deren Mitglieder sich als Herrscher in der Regel ununterbrochen ablösen) des Vereinten Ägypten. Mit der Zeit sollten 30 Dynastien über Ägypten herrschen, obwohl einige von ihnen ausländischen Ursprungs waren.
Die erste Zeitdauer des Wohlstands wird das "Alte Reich" genannt. Es bestand während der 3. bis 6. Dynastie, von 2664 v.Chr. bis 2181 v.Chr., fast 500 Jahre, die völlig die Zeit dee Sintflut umfassen. Der erste Herrscher der 3. Dynastie war Zoser und der Überlieferung zu Folge war es in seiner Zeit, das man die erste Pyramide baute.
Die Pyramiden waren große Steingebilde, die als gewaltige Herrschergräber gedacht waren. Die ägyptische Religion war vollkommen auf den Tod ausgerichtet und der Weg zum ewigen Leben ging über die Haltbarmachung des Körpers. Man entwickelte ein ungeheuer ausgeklügeltes Vorgehen zum Einbalsamierung von Leichen und die Herstellung von Mumien (von denen einige die vielen Jahrhunderte bis in unsere Zeit bewahrt worden sind) wurde sehr sorgfältig betrieben. Die Mumien der Herrscher wurden mit reichen Grabgaben beerdigt (um ihn in der nächsten Welt zu versorgen) und man war um die Verhinderung von gotteslästerlichen Grabplünderungen sehr besorgt. Die Pyramiden sollten Diebstahl verhindern, durch ihre bloße Masse und durch ausgeklügelte Geheimgänge. Sie misslangen aber fast alle, obwohl in 1922 die britischen Archäologen, der Earl of Carnarvon und Howard Carter, das ungeplünderte Grab von Tutanchamun entdeckten, ein in 1343 v.Chr. verstorbener Herrscher, was damals großes Aufsehen erregte.
Der Pyramidenwahnsinn erreichte seinen Höhepunkt in der 4. Dynastie mit Khufu, dem zweiten König dieser Dynastie, den wir besser kennen unter dem griechischen Namen Cheops. Er herrschte von 2590 bis 2568 v.Chr., nur kurze Zeit vor der ersten Dynastie von Ur. Er ließ das errichten, was wir heute als die "Große Pyramide" kennen, ein ungeheures Bauwerk mit quadratischer Grundfläche von 225 m Seitenlänge und einer Höhe von etwa 140 m. Sie ist aus riesigen Steinblöcken, die durchschnittlich 2,5 t wiegen und davon wurden etwa 2.300.000 Stück verbraucht. Nach Herodot arbeiteten 100.000 Männer 30 Jahre lang, um das Gebilde zu bauen. Das ist vielleicht nicht übertrieben. Wenn man die damalige Technologie berücksichtigt, ist es das anspruchsvollste Bauvorhaben der ganzen menschlichen Geschichte, vielleicht mit Ausnahme der Chinesischen Mauer. Und mit Abstand das meist nutzlose - und zwar ohne Ausnahme.
Nach dem Ende der 6. Dynastie folgte eine Zeit der Anarchie. Ägypten verfiel aufgrund einer Abnahme der Zentralmacht und der Erstärkung örtlicher Feudalherren in eine Reihe Einzelstücke. Während der nächsten 125 Jahre herrschten fünf verschiedene Dynastien, einige von ihnen möglicherweise gleichzeitig. Nur wegen der isolierten Lage Ägyptens konnte es sich diesen Luxus einer Anarchie leisten. Es wäre sonst in die Hände äußerer Feinde gefallen.
Erst in 2052 v.Chr. wurde eine zentrale Staatsmacht unter der 11. Dynastie wieder spürbar. Um 1991 v.Chr. (etwa zur Zeit der Geburt Abrams) kam Amenemhet I auf den Thron. Damit fing das "Mittlere Reich" an, eine weitere Zeit der Hochkultur. Das war die Zeit, in der Abram ankam.