Kain und Abel
1 Mos 4:1 Und… seine Frau Eva… gebar Kain; und sie sagte: Ich habe einen Mann hervorgebracht mit dem HERRN.
1 Mos 4:2 Und sie gebar noch einmal, und zwar seinen Bruder, den Abel. Und Abel wurde ein Schafhirt, Kain aber wurde ein Ackerbauer.
Der Name Kain („Kayin“ auf hebräisch) bedeutet normalerweise „Schmied“. In der Frühzeit der Kulturen wurde die Verwendung von Metallen eingeführt und der neue Werkstoff wurde überaus wichtig als Schmuck und als Waffen für Jagd und für Krieg. Männer, die Metalle verarbeiten und in die gewünschte Form bringen konnten, waren hoch geachtete Künstler. Schmied genannt zu werden war ein Ehrentitel und „Schmidt“ ist weiterhin ein gängiger Nachname.
Diese Bedeutung von Kain wird deutlicher bei weiteren Verwendungen des Wortes, im gleichen Kapitel, als Teil des Namens eines Nachkommens von Kain:
1 Mos 4:22 Und Zilla, auch sie gebar, und zwar den Tubal-Kain, den Vater all derer, die Kupfer und Eisen schmieden.
„Tubal-Kain“ heißt so viel wie der „Tubaler Schmied“, wo Tubal ein Gebiet in Kleinasien ist. In den vorangegangenen Jahrhunderten, bevor die Bibel geschrieben wurde, wurde die Technik der Eisenverarbeitung in der heutigen Türkei entwickelt. Die Schmiede aus Tubal dürften wegen der Herstellung von Waffen bisher unerreichter Güte berühmt geworden sein und die Tubaler Schmiede, Tubal-Kain, können in die Legende als die Erfinder der Metallurgie eingegangen sein.
Dennoch hat man in der Zeit des Exils nach einer wahrhaft hebräischen Bedeutung des Wortes gesucht und die Ähnlichkeit zwischen Kayin und „kanah“, „bekommen“, bemerkt. Eva soll daher gesagt haben: Ich habe von Gott einen Sohn „bekommen“ und ihn so genannt, damit der Name an ihre ersten Worte nach der Geburt erinnern. Damit war die Herkunft des Namens festgelegt.
Kain und Abel scheinen Ackerbauer und Hirte (oder Nomade) zu vertreten. Die frühen Geschichten sind aus der Sicht der Ackerbauer geschrieben, sesshafte Stadtbewohner, für die die Nomaden wilde, rücksichtslose und blutrünstige Plünderer waren.
Es waren aber die Ackerbauer, die sich vermehrten und die Kultur breitete sich. Die Nomaden konnten die Oberhand gewinnen, wenn Uneinigkeit zwischen Städten entstand, doch auf längere Sicht hatten die Sesshaften die Männer, die Organisation und die hochentwickelten Waffen, die nur bei ausgeklügelter Technologie herzustellen waren. (Kain war nicht nur Bauer, er war auch Schmied).
Am Ende gewann die Zivilisation vollkommen und dieser Endsieg war schon lange vorher abzusehen. Die Geschichte, die kurz und düster erzählt, wie Kain aus Eifersucht Abel tötete, kann ein Klagelied über die überwuchernde Fangarme der sesshaften Kulturen sein.
Der ganze Name Abel („Hebel“ auf Hebräisch) bedeutet ein „Windpust“ und kann die Vergänglichkeit des nomadischen Lebens beschreiben angesichts des ständigen Drucks der Landwirte. (In USA hatte man eine ähnliche Geschichte gegen Ende des neunzehnten Jahrhunderts als der nomadische „Cowboy“ im Westen endgültig dem schuftenden Farmer mit seinem Stacheldrahtzaun weichen musste).
Der Name Abel kann auch mit dem babylonischen „Aplu“ verwandt sein, das „Sohn“ bedeutet. Das würde für einen sumerischen Ursprung des Namens sprechen.