Eden
Nachdem Gott den Menschen erschaffen hat, schafft Gott ihm auch einen Wohnort, der gleich der erste Ortsname der Bibel wird:
1 Mos 2:8 Und Gott, der HERR, pflanzte einen Garten in Eden im Osten…
Bemerken wir, dass nicht der Garten selbst „Eden“ heißt. Man kann nicht von Eden sprechen und damit den Garten meinen, genauso wenig, wie man von Californien sprechen kann und damit den Yosemite Park meinen.
Der Garten ist an einer Stelle in einer Landschaft namens Eden eingerichtet worden, und zwar „im Osten“. Im Osten heißt östlich von Kanaan, das ja der Ausgangspunkt der biblischen Geschichte ist und auch die Heimat der ursprünglichen Schreiber und Leser der Bibel war.
Die Frage ist nur: Wo liegt Eden?
Auf diese Frage hat es zahlreiche Antworten gegeben, einige von ihnen ziemlich weit hergeholt und es gibt keine allgemein befriedigende Antwort. Dennoch bietet sich eine Lösung fast von selbst, wenn man nur dem meist unmittelbaren Gedankengang folgt.
Überlegen wir zunächst die Lage der Länder, wie sie war, nicht zum Zeitpunkt, an dem man meint, die Schöpfung habe stattgefunden (etwa 4000 v.Chr.), sondern zu dem Zeitpunkt als das erste Buch Mose geschrieben wurde.
Das erste Buch Mose gründet sich teilweise auf sehr alten Überlieferungen, doch diese wurden nicht vor dem 9. Jahrhundert v.Chr., allerfrühestens, niedergeschrieben. Einige Teile des Buches wurden erst Jahrhunderte später geschrieben und die ganzen Geschichten wurden nicht zusammengestellt bevor dem 5. Jahrhundert v.Chr.
Die Angaben im ersten Buch Mose müssen sich also auf die Lage beziehen, wie sie vom 9. bis zum 5. Jahrhundert v.Chr. war (die assyrische Zeit und etwas später), falls sie für den damaligen Leser einen Sinn ergeben sollten.
Wenn jetzt heute jemand ein Buch über die amerikanischen Indianer im 14. Jahrhundert, könnte er durchaus schreiben „die Indianer in dem Land, das man heute USA nennt“. Um Platz zu sparen könnte er allerdings auch einfach „die Indianer in den USA“ schreiben, da er davon ausgeht, dass jeder weiß, dass es im 14. Jahrhundert keine USA gab und niemand von diesem Ausdruck verwirrt wird. In alten Zeiten, als die Bücher noch handschriftlich abgeschrieben wurden und nicht gedruckt, musste man noch sparsamer mit den Wörtern umgehen als heute. Man kann nicht davon ausgehen, dass sie schreiben würden „und Gott, der Herr, pflanzte einen Garten im Osten in dem Land, das wir heute Eden nennen…“
Man muss sich also fragen, wo Eden in der assyrischen Zeit lag. Die Bibel teilt das ganz deutlich mit. Es wird mehrmals von Eden gesprochen – nicht als ein rätselhafter urtümlicher Ort, wo Adam und Eva wandelten, sondern als ein alltägliches Land, das von den Assyrern im 8. Jahrhundert v.Chr. erobert wurde.
Als zum Beispiel die assyrischen Heere unter Sennacherib Jerusalem in 701 v.Chr. belagerten, sandten sie eine Nachricht an die Männer, die die Stadtmauern bewachten und warnten sie davor, wegen ihrer Errettung auf ihr Gott zu vertrauen, zumal die Götter der anderen Völker auch nicht diese vor der Eroberung durch die Assyrer errettet hatten:
2 Könige 19:12 Haben die Götter der Nationen, die meine Väter vernichtet haben, sie gerettet: Gosan, Haran und Rezef und die Söhne Edens, die in Telassar waren?
Telassar ist der name einer assyrischen Provinz, der in assyrischen Inschriften als „Til-Asuri“ erwähnt wird. Sie erstreckte sich zu beiden Seiten der mittleren Flussabschnitte der Tigris und war demnach durchaus „im Osten“ von Kanaan – etwa 650 km in östlicher Richtung um genauer zu sein.
Dennoch muss nicht zwangsläufig davon ausgegangen werden, dass der biblische Schriftsteller das recht kleine Gebiet Eden in Telassar gemeint hat. Ortsbezeichnungen haben die Neigung, mit der Zeit zu zerfließen und unklar zu werden. „Asien“ bezeichnete für die Griechen ursprünglich die heutige Westtürkei, aber bedeutet für uns heute den ganzen asiatische Kontinent. „Afrika“ bezeichnete für die Römer den Norden des heutigen Tunesiens, aber wir benuzten den Namen für den ganzen afrikanischen Kontinent.
Eden kann also das ganze Euphrat-Tal bedeutet haben und nicht nur eine kleine Provinzs am Tigris. Das würde einen Sinn ergeben, denn archäologische Funde haben ergeben, dass an den Flussufern des Euphats eine der frühesten (wenn nicht die früheste überhaupt) Zivilisationen entstand.
Um 3000 v.Chr. breiteten sich machtvolle Städte aus entlang des Euphrats, man hatte ein ausgedehntes Netzwerk an Bewässerungskanälen, hatte das Schreiben erfunden und hatte überhaupt, was wir heute Kultur nennen.